Auswahl
Titel
Regie
Jahr
Timm Kröger
2023
Christopher Roth
2022
Matías Rojas Valencia
2021
Dietrich Brüggemann
2021
Stefan Krohmer
2018
Dietrich Brüggemann
2014
José van der Schoot
2010
Laurent Chaoui
2008
Carolin Link
2008
Steven Spielberg
2006
Jean-Luc Godard
1991
Claude Chabrol
1990
Robert van Ackeren
1983
Rudolf Thome
1981
Chantal Akerman
1978
Wim Wenders
1976
Wim Wenders
1971
Wim Wenders
1968

Kleine Auswahl von ca. 150 Fotos von Lars Wiedemann aus dem Band „SHORT MESSAGES – Die Fliesen der Heilandskirche Sacrow“ Hatje Cantz 2023

HANNS ZISCHLER

Wunschlisten

Schon von Ferne, sei es vom gegenüberliegenden Ufer, sei es vom renaturierten ‚Mauer‘-Park aus, erinnert diese Kirche mitsamt Campanile an ein Schiff aus Ziegeln, das bald Stapel laufen würde. Doch unbeweglich ragt das Kirchenschiff in die Havel hinein, als warte es seit geraumer Zeit auf die Passagiere und vergewissert sich des Leuchtturms in seinem Rücken für die große Fahrt. Alle Vorbereitungen sind getroffen, nichts rührt sich, in Bewegung ist, kaum sichtbar, nur der behäbige Fluss, der sich am liebsten uferlos ausdehnen, See werden möchte.. Die Kirche ist ein Bauwerk im Aufbruch, jederzeit bereit, sich wieder mit dem Wasser zu verbinden, aus dem sie selbst – Ziegelbauwerk aus gebranntem Havellehm – aufgestiegen ist.

Die Fliesen wurden während der langen Verharrungszeit zu einem aufgeschlagenen Logbuch. Als Gruß an eine ungewisse Zukunft ist zu lesen, was die vielen Passanten, die gerne auf diesem Schiff Passagiere wären, hier hinterlassen haben. Ein Ahoi­! und nichts wie weg! Die Initialen, Ausrufe, Adressfragmente und Slogans zwischen den blau lasierten Rosetten sind ebenso lesbare wie blinde Signale des Wunsches, mit diesem schönen Schiff einmal aufzubrechen, etwas hinter sich zu lassen, was sie bedrückt, hemmt und einsperrt. Der Augenblick der Inschrift garantiert die Illusion einer verheissungsvollen Zeitreise.

Gegen alle Evidenz – die Kirche ist kein Schiff, die Havel kein Meer, die Passanten, Spaziergänger und Soldaten keine Passagiere – demonstriert dieses Bauwerk dem Besucher seine unleugbare, außergewöhnliche Exterritorialität, ­ zwischen Potsdam und Berlin, zwischen ‚heidnischen‘ Besucherströmen und Scharen von Gläubigen, zwischen einer preußischen Vergangenheit und einer in die Gegenwart geretteten Musealität. Ihre Ausrichtung nach Jerusalem wirkt an dieser Stelle unfreiwillig exzentrisch, eine phantastische Kulisse im schlösser- und gärtenreichen Wonderland von Glienicke und Babelsberg.

Goethe, Farbenlehre:
Indem ich einen Gegenstand der mich ergriff, so lange in meinem innern Sinn trug und hegte, bis daraus etwas entstanden war, das als mein angesehen werden mochte, und das ich, nachdem ich es Jahre lang im stillen ausgebildet, endlich auf einmal gleichsam aus dem Stehgreife und gewissermaßen instinktartig, auf das Papier fixierte.

Hier ist zusammengefasst, was auch mich in vielerlei Hinsicht umtreibt und innehalten läßt. Beim Schreiben geht es um das immer wieder neue Zusammensetzen einer Welt – das kann ein Essay, ein Forschungsbericht, eine Erzählung sein. Dass zum Schreiben auch die Sendung gehör, ist für mich selbstverständlich. Schreiben schafft Räume, es orientiert, Fotografie erfindet Räume. Ich halte mich abwechselnd in beiden auf – entscheidend sind die Schwellen. Im Schatten der Schrift steht die Rede, das Sprechen. Sprechen, Lesen, Vorlesen ist ein Lackmustest für die Übersetzung. Erst durch den Vortrag gewinnt ein Text seine vierte Dimension. Das kann als Schauspiel oder als Rezitation geschehen. Schreiben, Fotografieren, Sprechen und Spielen entstehen für mich vor dem Hintergrund des unablässigen, prüfenden Sammelns. Sammeln ist kein Festhalten und Horten und Habenwollen, sondern etwas, das Künftiges erst ermöglicht. Es orientiert auf eine zu entwerfende Zukunft.

* 1947 in Nürnberg. Seit 1968 überwiegend in Berlin  (bis 1989 West- Berlin) und Paris als freischaffender weisungsgebundener Schauspieler und nicht-weisungsgebundener Schriftsteller und Fotograf. Sammler von Paraphernalia (wie Wegezeichnungen und Orangenpapieren)